Der Verlust einzelner oder gar mehrerer Zähne ist für den Menschen ein traumatisches Erlebnis. Dank der modernen Implantologie, als deren Vater der schwedische Forscher Per-Ingvar Brånemark gilt, ist es heute allerdings möglich, durch das Einbringen von Implantaten verloren gegangene Lebensqualität zurück zu gewinnen, so dass wieder uneingeschränktes Kauen und unbeschwertes Lachen möglich ist. 1
Der Begriff „Implantat“ leitet sich übrigens aus dem Lateinischen ab (in- ‚hinein‘ und plantare ‚pflanzen‘). 1
Was ist ein Zahnimplantat und aus welchen Komponenten besteht es?
Aus rein fachlicher Sicht wird unter einem Zahnimplantat der sog. Implantatkörper verstanden, also lediglich die künstliche Zahnwurzel, die in dem Kieferknochen („enossal“ – Lateinisch en- ‚in‘ und os ‚Knochen‘) verankert ist. 2 Dieser Implantatkörper, der heute üblicherweise wie eine Schraube aussieht, ist das Fundament für den späteren Zahnersatz (die sog. Suprakonstruktion), der fallweise eine Krone, eine Brücke oder eine Prothese sein kann.
Für den weiteren Aufbau auf diesen Implantatkörper stehen zusätzliche Komponenten zur Verfügung, die im Verlauf der Behandlung mit dem Implantatkörper, aber auch untereinander verbunden werden. Alle Einzelteile zusammen bilden dann eine festes und stabiles Gesamtgebilde, das sich funktional und ästhetisch von einem natürlichen Zahn kaum mehr unterscheidet – und das dann umgangssprachlich „Implantat“ genannt wird.
Implantataufbau („Abutment“)
Die meisten Implantatkörper besitzen oben ein Innengewinde, sodass hierin die zweite Komponente – der Implantataufbau, das sog. Abutment – verschraubt werden kann. Das Abutment ist ein Zwischenglied aus Titan oder keramischen Werkstoffen und dient als Befestigungselement für den Zahnersatz. Man spricht hier dann von einem „zweiteiligen“ Implantat.
Ein entscheidender Vorteil des Abutments liegt darin, dass mit seiner individuellen Gestaltung durch den Zahntechniker die Positionierung des Zahnersatzes und damit die Krafteinwirkung beim Kauen ganz flexibel und perfekt den Verhältnissen im Mund angepasst werden kann.
Allerdings kann der kleine Spalt zwischen Implantatkörper und Abutment („micro-gap“) die Knochenanlagerung an dieser Stelle negativ beeinflussen. 3 Durch konische Verbindungen („Morsekegel“) und/oder durch ein durchmesserreduziertes Abutment am Übergang Implantatkörper/Abutment – dem sog. platform switching – kann dieser Nachteil ausgeglichen und eine positive Wirkung auf den umgebenden Knochen und das Weichgewebe induziert werden. 4
„Einteilige“ Implantate werden deswegen so bezeichnet, weil Implantatkörper und -aufbau nur aus einem einzigen Teil bestehen. Sie werden eher zur Versorgung eines zahnlosen Kiefers mit Stegen und darauf fixierter Prothese verwendet oder bei besonders engen Zahnlücken.
Da beim einteiligen Implantat der Implantatpfosten in die Mundhöhle ragt, ist die Einheilung des Implantates weniger sicher, weil z.B. Bewegungen der Zunge die Einheilphase stören können. Zudem ist man bei der Anfertigung des Zahnersatzes wesentlich weniger flexibel, da dieser wegen der nicht veränderbaren Achsrichtung des gesetzten Implantates nicht immer optimal ausgerichtet werden kann.
Wissenschaftliche Veröffentlichungen in letzter Zeit haben allerdings keinen wesentlichen Unterschiede von einteiligen zu zweiteiligen Implantaten in Bezug auf Überlebensrate und Knochenstruktur erkennen lassen. 5 6
Suprakonstruktion
Zuletzt wird auf dem Implantataufbau die im Mund sichtbare Komponente, die Suprakonstruktion aufgebracht.
Die Suprakonstruktion ist der sichtbare Anteil des Zahnersatzes und kann eine Krone, eine Brücke oder eine Prothese sein.
Die feste Verbindung zwischen Implantataufbau und Suprakonstruktion erfolgt entweder durch Zementieren/Verkleben oder durch Verschrauben. Beide Verfahren haben Vor- und Nachteile und werden je nach klinischer Anforderung in der Praxis verwendet. 7
Eine Variante ist das feste Aufzementieren auf dem Implantatpfosten. Dadurch ist die Krone nicht mehr in ihrer Lage veränderbar und muss bei Komplikationen mitsamt dem Pfosten entfernt werden.
Die zweite Variante ist die Verschraubung zwischen Suprakonstruktion und Implantataufbau, was zwar das leichtere Austauschen der Krone möglich macht, jedoch einen instabileren Halt und mögliche Keimbesiedelung an der nicht komplett dichten Verschraubung nach sich zieht. 8
Einteilung der Zahnimplantate
Weltweit existiert eine schier unüberschaubare Anzahl an Implantat-Systemen 9, so dass eine übersichtliche und gleichzeitig genaue Einteilung kaum durchzuführen ist. Im Wesentlichen unterscheiden sie sich im Material, in Form bzw. Design und Abmessung, in der Implantat-Abutment-Verbindung und in der Oberflächenbeschaffenheit.
Material
Viele Faktoren tragen dazu bei, dass ein Zahnimplantat im Knochen einheilt und in der Langzeittherapie erfolgreich ist. Neben dem grundsätzlichen Design des Implantatkörpers ist das Material des Implantates ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
Implantate aus Titan
Die allermeisten heute eingesetzten Implantate bestehen aus hochreinem Titan (Titan Grade 4 oder 5) 10. Seit bereits mehreren Jahrzehnten 11 hat sich dieser Werkstoff als Implantatmaterial hervorragend bewährt und gilt wissenschaftlich als ausgezeichnet dokumentiert.
Titan hat viele positive Werkstoffeigenschaften, was es für die dentale Implantologie optimal geeignet macht:
- Hervorragende Verträglichkeit im Körper
Titan bildet mit Sauerstoff spontan eine schützende, passive Titanoxidschicht auf der Oberfläche 12, was zu einer ausgezeichneten Gewebeverträglichkeit führt und eine Abstoßungsreaktion verhindert; man spricht hier von einer sehr hohen Biokompatibilität. 13 - Starke Affinität zwischen Titanoxid und Knochenzellen
Die Knochenzellen („Osteoblasten“) wachsen schnell an die Implantatoberfläche, was schließlich zu einem sicheren und stabilen Verbund zwischen Implantat und Knochen führt („Osseointegration“ ). 14 - Hohe Stabilität, bruchfest
Weiterhin besitzt Titan eine hohe mechanische Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit, was es gegenüber äußerlichen Kräften und Umwelteinflüssen sehr resistent macht. - geringe Wärmeleitfähigkeit
Titan leitet Wärme nur sehr schlecht, was etwa beim Verzehr von heißen oder kalten Getränken und Speisen das Schmerzpotential reduziert. - Durchlässigkeit für Röntgenstrahlen
Bei Folgeuntersuchungen lassen sich problemlos Röntgenaufnahmen anfertigen, auf denen die gesamte Implantat- und Knochensituation ersichtlich bleibt. - Sehr gut verarbeitbar
Titan lässt sich leicht bearbeiten. Z.B. wird heute durch verschiedene Techniken die Implantatoberfläche angeraut, was zu einer größeren Oberfläche und einer höheren Anlagerungsfläche für die Knochenzellen führt. 15 - Vielseitig einsetzbar
Die moderne Zahntechnik fertigt nicht nur künstliche Zahnwurzeln, sondern auch Stege, Modellgussplatten, sowie Kronen und Brücken aus Titan an.
Hin und wieder wird wegen angeblicher allergischer Reaktionen vor der Verwendung von Titan-Implantaten gewarnt.
Mittlerweile ist evident, dass eine echte Titan-Allergie extrem selten vorkommt. 16 Die beobachteten Probleme (Entzündung um das Implantat, Knochenabbau) sind als Folge einer vermutlich auch genetisch bedingten stärkeren Entzündungsreaktion auf mikroskopisch kleine Titanoxidpartikel verursacht. 17 18 Über die Ursache dieses Abriebs von der Implantatoberfläche ist man sich noch nicht ganz im Klaren; man nimmt an, dass dies beim Einbringen des Implantates oder durch Mikrobewegungen zwischen Implantat und Abutment erfolgt. 19
Zusammenfassend kann man feststellen, dass sich Zahnimplantate aus Titan über Jahrzehnte hinweg ausgezeichnet bewährt haben. 20 Die Körperverträglichkeit ist wissenschaftlich umfangreich dokumentiert und die Erfolgssicherheit wird in der wissenschaftlichen Literatur mit ca. 90 – 95% angegeben. 21 22
Aus diesen Gründen ist Titan derzeit das optimale Material für Zahnimplantate.
Implantate aus Keramik
Keramikimplantate sind nichts Neues im Bereich der Zahnmedizin. Schon 1970/80 wurden diese Implantate eingesetzt, allerdings mit sehr mäßigem Erfolg. 23
Die Vorstellung von „metallfreien“ Implantaten und auch die helle, zahnähnliche Farbe, die dem Titan vor allem bei dünner Schleimhautbedeckung ästhetisch überlegen ist, hat in den letzten Jahren zur Entwicklung von Keramiken geführt, die für Zahnimplantate verwendet werden können. 15 Modifikationen der Oberflächenstruktur verkürzen nunmehr die – im Vergleich zu den Titanimplantaten – zunächst sehr langen Einheilzeiten von 6 und mehr Monaten.
Während primär nur einteilige Systeme angeboten wurden, versuchen sich in letzter Zeit zunehmend auch zweiteilige Implantatsysteme auf dem Markt zu etablieren.
Allerdings weisen sorgfältige Analysen kommerzieller keramischer Zahnimplantate eindeutig nach, dass diese keineswegs metallfrei sind, sondern durch mehrere Metalle – auch mit allergieauslösenden Metallen wie Nickel und Chrom – verunreinigt sind. 24 Ob nach diesen Befunden der Begriff „metall-frei“ auch unter sog. ganzheitlichen Gesichtspunkten aufrechterhalten bleiben kann, mag an dieser Stelle dahin gestellt sein.
Auch die Hoffnung, dass Keramikimplantate keine Entzündungsreaktion auslösen können, ist unberechtigt, wie neure Untersuchungen aufzeigen 25
; offensichtlich spielen genetische Parameter bzw. der Immunstatus des Menschen eine wichtigere Rolle, als das Material selbst. 26
Schließlich ist auch die Langlebigkeit von Keramikimplantaten keinesfalls gesichert. Eine Übersicht in der wissenschaftlichen Literatur zeigt zwar ermutigende Überlebensraten nach einem Jahr Beobachtungszeit 27, Langzeitergebnisse aber über 5 und 10 Jahre fehlen aber derzeit noch, so dass die langfristige Sicherheit und Verlässlichkeit der Implantatsysteme auf Keramikbasis noch nicht nachgewiesen worden ist. 28
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die derzeit verwendeten Keramiken sehr gute Materialeigenschaften haben und biokompatibel sind; die ästhetischen Ergebnisse können gerade auch im delikaten Bereich bei dünner Schleimhaut den Titanimplantaten überlegen sein. Doch ist an Hand der bislang vorliegenden Daten eine Langzeitprognose noch unsicher, weswegen wir bei sorgfältiger Abwägung das Keramikimplantate derzeit nur als Ergänzung des Behandlungsspektrums ansehen können.
Makrodesign
Während es früher auch Zylinderimplantate ohne Gewinde gab, haben sich heute letztlich die im Querschnitt runden, einer Schraube ähnlichen Implantatdesigns mit Gewinde durchgesetzt 29, welche konisch oder zylindrisch gestaltet sein können.
Der Implantatkörper ist rotationssymmetrisch, das heißt, mit einem rotierenden Instrument (Bohrer) wird man schonend einen Hohlraum in den Kieferknochen präparieren, in welchen dann das Implantat eingebracht wird.
Durch jeweils spezifische Kombinationen von Implantatdesign und Gewinde-Geometrie soll die Implantation selbst vereinfacht und nach dem Einbringen in den Knochen, auch bei ungünstiger Knochenqualität, ein fester Halt (Primärstabilität) erreicht werden, wodurch die Einheilung des Implantates beschleunigt werden soll. 30
Die Implantatkörper liegen in verschiedenen Längen/Durchmesser-Kombinationen vor. Sie haben – bis auf ein paar Ausnahmen – eine Länge von 7 bis 15 Millimeter und – ebenso bis auf ein paar Ausnahmen – einen Durchmesser von 3.75 bis 6.0 Millimeter.
Implantat-Abutment-Verbindung
Die Stabilität der Implantat-Abutment-Verbindung ist von entscheidender Bedeutung für den Langzeiterfolg der prothetischen Versorgung. Darüber hinaus hat diese Schnittstelle einen wesentlichen Einfluss auf den das Implantat umgebenden Knochen. 31
Um die einwirkenden Kaukräfte bestmöglich abfangen zu können und damit auch eine Mikrobeweglichkeit zwischen Implantatkörper und Abutment einzudämmen bzw. zu verhindern, werden heute meist konische Abutmentverbindungen bevorzugt. 32
Oberflächenbeschaffenheit (Mikrodesign)
Die Implantatoberfläche steht in direkter Wechselwirkung mit den umgebenden knochenbildenden Zellen (Osteoblasten). Deswegen ist ihre Beschaffenheit ein wesentlicher Faktor zu den biologischen Prozessen während der Einheilphase des Implantates. 33
Während zu Beginn der modernen Implantologie die Titanoberfläche noch glatt war, hat man im Laufe der Zeit verschiedene Methoden entwickelt, um die Implantatoberfläche durch eine rauere Struktur zu vergrößern. Dadurch wird die Stabilität des Implantates im Knochen verbessert und die Knochenneubildung nach der Implantation beschleunigt. 34 35
Derzeit untersucht man, ob mittels spezifischen Beschichtungen auf Nanoebene (Keramik, Wachstumsfaktoren, Medikamente) die Oberfläche noch bessere mit Knochen und Zahnfleisch interagieren kann.
Implantat-Arten
Welches Implantat in der jeweiligen Situation eingesetzt wird, entscheidet der Behandler in Abstimmung mit dem Patienten. Je nach klinischer Anforderung wird das für die vorliegende Situation am besten geeignete Implantat ausgewählt, wobei folgende Implantat-Arten unterschieden werden:
Standardimplantat
Die Wahl des Implantates und seine Länge werden von zwei wichtigen Faktoren bestimmt: erstens von der Position im Kiefer und zweitens vom vorhandenen Knochenangebot. Vor allem Letzteres ist oft entscheidend für den Verlauf einer Implantatversorgung und für deren grundsätzliche Machbarkeit; zudem ist eine Grundvoraussetzung, dass der Knochen gesund ist. Ggf. muss der eigentlichen Implantation noch ein Knochenaufbau vorgeschaltet werden.
Wenn also der Knochen ausreichend breit und hoch ist, kann das Implantat einen sicheren Halt finden und langfristig seine Funktion erfüllen.
Der Behandler wird dann entsprechend seiner Erfahrung das Implantatsystem auswählen, das für jeden einzelnen Patienten und seine spezifischen Belange am optimalsten geeignet ist und den besten Langzeiterfolg verspricht.
Interimsimplantate
Interimsimplantate (oder temporäre Implantate) werden in besonderen Situationen und – wie der Name schon sagt – auch nur für eine begrenzte Zeit benötigt. Ihre Verwendung finden sie vor allem im Rahmen von sehr langen und umfangreichen Behandlungen als vorübergehende Verankerung für einen provisorischem Zahnersatz 36 oder als Übergang zur Sofortversorgung während der Einheilphase des endgültigen Implantats 37 oder als Orientierungspunkte bei digitalem Workflow. 38
Sie sind dünner als die üblichen Implantate und sind einteilig konfiguriert.
KFO-Implantate / TAD
Diese Spezial-Implantate werden nicht bei fehlenden, sondern zur Korrektur schief stehender oder falsch positionierter Zähne eingesetzt, also in der Kieferorthopädie (KFO). Sie sind ebenfalls Interimsimplantate, da sie nur für die Zeit der kieferorthopädischen Behandlung erforderlich sind.
TAD steht für „Temporary Anchorage Device“ (in etwa: vorübergehende Verankerung). Mit einem Durchmesser von weniger als drei Millimetern dienen sie als Stützpfeiler für kieferorthopädische Apparaturen (Brackets, Drähte, Gummibänder), mit deren Hilfe sich die Position von Nachbarzähnen neu ausrichten lässt. 39
Diese Methode erlaubt eine deutlich präzisere Vorgehensweise und erbringt bessere Ergebnisse als die noch vor wenigen Jahren übliche Befestigung der Anker oder Zugbänder an anderen Zähnen. TAD-Implantate sind ohne größeren Aufwand einsetzbar und bleiben in der Regel nur einige Monate im Mund. 40
Dimensionsreduzierte Implantate (Mini-Implantate)
Durch Knochenschwund des Kieferkamms kann die Knochenbreite und -höhe stark eingeschränkt sein. Meistens wird dies durch knochenaufbauende Behandlungsmaßnahmen behoben, so dass die Verwendung von Standardimplantaten möglich ist.
Alternativ kann der Einsatz dimensionsreduzierter Implantate dann in Frage kommen, wenn rekonstruktive Behandlungen aus gesundheitlichen oder anatomischen Gründen zu riskant sind oder zu aufwändig scheinen.
Man spricht von einem „Mini-Implantat“, wenn es kürzer und von einem „durchmesserreduzierten Implantat“ (in der Fachliteratur: Narrow-diameter implant [NDI]), wenn es dünner ist als ein Standardimplantat. Ab welcher Länge man aber von Mini- und ab welchem Durchmesser man von durchmesserreduzierten Implantaten spricht, ist in der Literatur nicht eindeutig festgelegt. 41
Die korrekte Insertion dieser Zahnimplantate unterscheidet sich natürlich in keinster Weise von dem Vorgehen bei Standardimplantaten. Und: Nur der erfahrene Implantologe weiß, in welchen Fällen die Anwendung dimensionsreduzierter Implantate sinnvoll und angezeigt ist.
Zwar gibt es einige Studien, die für diese Implantate vielversprechende Ergebnisse aufzeigen, so dass sie unter bestimmten Bedingungen als Behandlungsalternative in Frage kommen können. Allerdings fehlen belastbare Langzeitstudien, die eine sichere Aussage über die Reaktion des Knochengewebes unter Dauerbelastung zulassen und technische Probleme der prothetischen Versorgung betrachten. 42
Einzig der Einsatz dimensionsreduzierter Implantate (± 3 mm) bei der Versorgung von schmalen Zahnlücken, die im Frontzahnbereich häufig anzutreffen sind, scheint ähnlich gute und zuverlässige Ergebnisse zu haben, wie es bei den Standardimplantaten anzutreffen ist. 43
Zygoma-Implantate
Der etwas seltsam anmutende Begriff „Zygoma“ leitet sich von dem lateinischen Wort für das Jochbein – „Os zygomaticum“ – ab. Dies ist der wangenbildende Knochen im Gesicht, der sog. Jochbogen, der sich sehr prominent beidseits direkt unter und neben der Augenhöhle tasten lässt. Genau in diesen Knochen wird das spezielle, sehr lange Zygoma-Implantat vom Mundinneren aus eingebracht.
Diese Technik wurde Ende der 1990-er Jahre von Per-Ingvar Brånemark eingeführt. 44
Wenn im Oberkiefer z.B. nach langer Zahnlosigkeit, durch starken Knochenabbau nach Parodontose oder auch durch einen Unfall oder einen Tumor nur noch ein sehr geringes Knochenangebot zur Verfügung steht, würde ein Standardimplantat keinen ausreichenden Halt finden.
Statt langwierigen, zeitraubenden und auch teuren Knochenaufbaumaßnahmen kann in bestimmten Fällen der Einsatz eines oder mehrerer Zygoma-Implantate eine einfache und doch erfolgversprechende Möglichkeit zur Wiederherstellung der Kaufunktion sein. 45
Das Jochbein weist eine sehr dichte Knochenstruktur auf, die dem Implantat sofort einen festen Halt bietet. Dadurch ist meist innerhalb kurzer Zeit das Anbringen der prothetischen Versorgung möglich.
Die OP-Technik selbst ist sehr anspruchsvoll und sollte nur von erfahrenen und speziell geschulten Oral- oder MKG-Chirurgen angewendet werden. 46 Dann allerdings scheint die Erfolgsquote mit den Standardimplantaten vergleichbar zu sein. 47
In welcher Situation können Zahnimplantate eingesetzt werden?
Erleidet man einen Zahnverlust – aus welchen Gründen auch immer – stellt sich die Frage, wie diese Lücke nun geschlossen werden soll.
Prinzipiell kann ein Implantat jeden Zahn ersetzen, egal ob im Backen- oder Frontzahnbereich, ob einzeln oder in Reihe stehend. Selbst bei zahnlosen Kiefern bieten Zahnimplantate eine gute Möglichkeit, festen oder herausnehmbaren Zahnersatz zu verankern. Und – das soll nicht verschwiegen werden – in aller Regel gibt es auch für jede Situation eine nicht-implantologische Alternative.
Aber muss denn immer ein Implantat gesetzt werden? Oder wie sehen Alternativen zur Implantation aus?
Diese beiden wichtigen Fragen müssen im Vorfeld einer Therapie zwischen Ihrem Behandler und Ihnen geklärt werden.
Ganz gleich, welcher spezifische Lösungsweg am Ende beschritten wird, folgende Vorgaben sollten immer erfüllt werden:
Die Behandlung erfolgt stets nach neuestem wissenschaftlichen Stand unter Berücksichtigung der aktuellen Leitlinien. 48 Unter Einhaltung hoher Qualitätsstandards wird eine für den Patienten maßgeschneiderte Lösung gefunden und umgesetzt.
Um alle Gesichtspunkte einer medizinischen Fragestellung würdigen und für den Patienten optimal beurteilen zu können, sind deshalb eine große fachliche Expertise und nicht zuletzt eine langjährige chirurgische Erfahrung notwendig. Ein schnelles „Make it simple“ reicht nicht aus, um Patienten umfassend zu betreuen und optimal zu versorgen! 49
Einzelzahnlücke
Die implantologische Versorgung einer Einzelzahnlücke ist die häufigste Implantatbehandlung, sie macht etwa die Hälfte aller Implantationen aus. 50
Ob das Implantat bei einer Einzelzahnlücke die beste Behandlungsoption ist, hängt von vielen Faktoren ab, wie z.B. dem Zustand der Nachbarzähne, dem Knochenangebot, aber auch den finanziellen Möglichkeiten. Da aber der Langzeiterfolg konventioneller Brückenversorgung niedriger scheint 51, als der von Einzelzahnimplantaten – in der wissenschaftlichen Literatur wird eine Erfolgsrate von immer noch 94% nach mindestens 10-jähriger Liegedauer beschrieben 52 – ist die Implantatversorgung häufig die beste Wahl.
Implantologisch wird bei diesem Verfahren die Lücke mit einem einzelnen Implantat plus Aufbau und Krone versorgt. Gerade auch im ästhetischen Bereich erfordert das Einzelzahnimplantat höchste Anforderungen sowohl an den Chirurgen, als auch an den Zahntechniker.
Der große Vorteil im Gegensatz zu einer Brückenversorgung besteht darin, dass keine Nachbarzähne bearbeitet werden müssen und auch kein Knochenrückgang zu erwarten ist, da dieser durch permanente Kaubelastung durch das Implantat vor dem Abbau geschützt wird.
Schaltlücke
Eine große Zahnlücke, bei der mindestens zwei Zähne nebeneinander fehlen und bei der rechts und links der Lücke noch Zähne vorhanden sind, bezeichnet man als Schaltlücke.
Bei einer Schaltlücke sind – von der herausnehmbaren Prothese einmal abgesehen – zwei Behandlungsalternativen gegeben:
Entweder wird die Lücke mit einer Brücke versorgt oder es werden Implantate gesetzt.
Die Versorgung einer Schaltlücke mit einer Brücke ist ein etabliertes Verfahren, hat aber doch einige Nachteile:
Die Nachbarzähne müssen beschliffen werden, womit wertvolle Zahnhartsubstanz verloren geht. Weiterhin kann es bei großen Lücken sehr oft Spannungen innerhalb der Brücke geben, was zu einer Fehlbelastung bzw. einer zu großen Last auf den brückentragenden Pfeilerzähnen führt. Die Folge können Zahnlockerungen, eine Entzündung der Zahnnerven oder ein Bruch dieser Zähne sein. Darüber hinaus kann der unter dem Brückenglied liegende Kieferknochen schwinden, was ästhetische (sichtbarer Spalt zwischen Zähnen und Zahnfleisch) und funktionale Probleme (Karies an Pfeilerzähnen, Zahnfleischentzündung) mit sich bringen kann. 53
Implantate zur Wiederherstellung der Kaufunktion bei Schaltlücken sind schon seit Mitte der 1980-er Jahre eine Behandlungsoption mit hervorragendem Langzeitergebnissen. 54
Hier wird die Kraft gleichmäßig auf mehrere Pfeiler verteilt und der Knochen wird durch die Belastung beim Kauen nicht abgebaut. Auch neure Studien bestätigen die ausgezeichneten Langzeitergebnisse bei der implantologischen Versorgung der Schaltlücken. 55
Freiendsituation
Fehlen am Ende einer Zahnreihe einer oder mehrere Zähne, handelt es sich um eine Freiendsituation, eine Freiendlücke. Die Zahnreihe ist sozusagen nach hinten hin „frei“. Die Zahnreihe kann einseitig oder beidseitig verkürzt sein; sowohl im Unter- wie auch im Oberkiefer.
Auch hier gibt es Behandlungsalternativen: Neben dem herausnehmbaren Zahnersatz gibt es sog. Freiend- oder Extensionsbrücken, die nach hinten einen Anhänger haben. Oder es werden Implantate gesetzt.
Vorab aber stellt sich die Frage, ab welcher Anzahl fehlender Zähne ein Ersatz überhaupt erforderlich ist. Schon bei einem fehlenden Zahn oder erst bei mehreren und ist ein Ersatz eigentlich überhaupt notwendig, wenn die Seitenzähne im hinteren Backenzahnbereich doch gar nicht sichtbar sind?
Eine präzise Aussage lässt sich natürlich nur am konkreten Fall machen. Klar ist aber auch, dass jeder Seitenzahn – mit Ausnahme der Weisheitszähne – einen Antagonisten, also einen gegenüberliegenden Zahn im jeweils anderen Kiefer besitzen sollte. Fehlen einer oder mehrere „Gegenspieler“, bewegen sich die nicht mehr abgestützte Zähne. Es kommt zu Positionsveränderungen, verlängerten Zähnen, Fehlbelastungen, Einschränkung der Kauleistung, Parodontose, Kiefergelenksbeschwerden. Kurz: Eine Freiendlücke sollte prothetisch versorgt werden. Ob man auf die Backenzähne ganz verzichten kann 56 oder ob bereits bei einem einzigen fehlenden Zahn am Ende der Zahnreihe ein Zahnersatz in Betracht gezogen werden sollte, kann nur aus der individuellen Situation heraus beurteilt und entschieden werden.
Die Konsensuskonferenz-Implantologie, eine Kooperation der wesentlichen implantologischen Fachgesellschaften in Deutschland, gibt bewährte Entscheidungshilfen zur Versorgung mit Implantaten bei unterschiedlichen Formen der Zahnlosigkeit. 57
Zwar gibt es für die verkürzte Zahnreihe eine Vielzahl an konventionellen und prothetischen Lösungsmöglichkeiten, die sich im Wesentlichen nach der konkreten Situation und dem zur Verfügung stehenden Budget richten, doch man sollte berücksichtigen, dass die zahngetragene Extensionsbrücke häufiger Komplikationen verursacht, als eine implantprothetische Versorgung. 58 59
Zahnlosigkeit
Einen komplett zahnlosen Kiefer wird man entweder mit einer klassischen, herausnehmbaren Totalprothese oder mit einem festsitzenden Zahnersatz auf Implantaten versorgen.
Totalprothesen sind herausnehmbare Kunststoffgebisse, die über Saugkräfte – und häufig leider auch nur mit Haftmittel – auf der Kieferschleimhaut aufsitzen. Sie bereiten, vor allem im Unterkiefer, oft Probleme im Sinne von schmerzhaften Druckstellen, einem schlechten Sitz oder gestörter Geschmacksempfindung. All dies führt zu erheblichen Einbußen der Lebensqualität. Deshalb sind sie heute nicht mehr die erste Wahl bei der Versorgung bei unbezahnten Kiefern.
Die medizinisch sinnvollere Lösung stellt – vor allem im Unterkiefer – eine implantatgetragene Lösung dar 60, die auch bei schon vorhandenem Knochenschwund mit manchmal recht einfachen Mitteln durchführbar ist. 61 Ob der Zahnersatz dann fest mit den Implantaten verbunden ist oder herausnehmbar gestaltet wird, welche Behandlungstechnik die beste Kosten-Nutzen-Relation ergibt (z.B. All-on-4 62), hängt von der individuellen anatomischen Situation sowie den Bedürfnissen und Möglichkeiten des Patienten ab.
Der große Vorteil einer Implantatversorgung beim zahnlosen Patienten ist, dass man mit diesem Therapiekonzept schon nahezu sechs Jahrzehnte Erfahrung hat und die Langzeitergebnisse, auch wenn knochenaufbauende Maßnahmen notwendig sein sollten, überzeugen 63.
Eine von der ECDI initiierte Studie mit mehr als tausend zunächst zahnlosen Patienten hat bestätigt, dass sich deren allgemeine Lebensqualität durch eine Implantatversorgung drastisch verbessert hat. 64
Eine Implantat-Behandlung: Schritt-für-Schritt
Vor der Behandlung
Am Anfang steht zunächst die Basis jeder medizinischen Behandlung: Anamnese, Untersuchung, Behandlungsplan, Aufklärung.
Die Befragung der Anamnese gibt Hinweise zum allgemeinen Gesundheitszustand, der die Behandlung je nachdem mehr oder weniger beeinflusst.
Die Untersuchung beginnt mit der klinischen Überprüfung der gesamten Mund- und Kiefersituation (Mundschleimhaut, Entzündungszeichen, Zahnstatus, Mundöffnung).
Darauf folgt eine Röntgenuntersuchung, da für den langfristigen Erfolg einer Implantation die Beurteilung von Qualität und Quantität des Kieferknochens entscheidend sind. Die herkömmliche zweidimensionale Röntgendiagnostik (Orthopantomogramm [OPG]) gibt zwar einen guten Überblick über die anatomischen Strukturen, doch hat sich in der modernen Implantologie zwischenzeitlich die Erfassung dreidimensionaler Daten mit dem DVT (digitale oder dentale Volumentomographie) durchgesetzt. 65 Die 3D-Bildgebung ermöglicht die exakte individuelle Befunderhebung, weil sie durch eine hochauflösende Darstellung selbst kleinste Details beim Verlauf der Nervenbahnen oder in der Knochendichte sichtbar macht. Darüber hinaus ermöglicht das DVT mithilfe spezieller Softwarelösungen eine exakte Planung der optimalen Implantatposition im Kiefer, was dann zu einer minimalinvasiven Implantation mittels individueller Bohrschablone führen kann. Zudem weist es eine wesentlich geringere Strahlenexposition als ein herkömmliches Computertomogramm (CT) auf.66
Die differenzierte Bewertung der Untersuchung führt zum Behandlungsplan: Sind vorab zahnärztliche (z.B. Parodontose-Behandlung) oder chirurgische Maßnahmen (Entfernung von Zähnen, Knochenaufbau) notwendig? Wie viele Implantate sind nötig? Ist eine chirurgische Bohrschablone sinnvoll? Welche prothetische Versorgung ist möglich?
Diese Fragen werden in einem ausführlichen Aufklärungsgespräch dargelegt und erläutert. Die Entscheidung über die definitive Behandlung fällt dann unter Berücksichtigung der Wünsche und Möglichkeiten des Patienten.
Erst dann kann ein Heil- und Kostenplan erstellt werden, der einen Überblick über die Kosten der Implantat-Behandlung gibt.
Die Implantation
Schmerzausschaltung
Leider haben viele Menschen Angst vor einer Zahnarztbehandlung oder einer Operation im Mund 67, was zur Folge hat, dass notwendige oder auch nur sinnvolle Behandlungen unterbleiben. Doch können mit den heutigen Anästhesieverfahren alle Implantat-Operationen schmerz- und stressfrei durchgeführt werden.
Lokalanästhesie
Die Lokalanästhesie – die sog. „örtliche Betäubung“ – ist das mit Abstand am häufigsten verwendete Verfahren, um bei einer Implantation absolute Schmerzfreiheit zu erreichen; das Medikament (Lokalanästhetikum) macht nur den OP-Bereich schmerzunempfindlich. Während der Operation sind dann allenfalls noch die Vibrationen des Bohrers zu spüren.
Sedierung
Wer einfach „nichts mitbekommen, nichts hören, nichts spüren“ 68 will oder eine stärkere Angst vor Zahnbehandlungen hat, kann durch einen „Dämmerschlaf“ (Analgosedierung) eine schonende, schmerz- und angstfreie Behandlung erhalten. Dabei werden die Medikamente durch die Vene verabreicht (i.v.-Sedierung), wodurch es zu einer schnellen und dem Patienten individuell angepassten Sedierungstiefe kommt. Während der Sedierung werden mit geeigneten Apparaten verschieden Vitalparameter überwacht (Herz- und Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung des Blutes). Die Entlassung nach Beendigung des Eingriffs kann dann nur mit einer Begleitperson erfolgen. 69
Eine i.v.-Sedierung ist in der Hand des entsprechend geschulten Praxisteams eine hervorragende Ergänzung zur Lokalanästhesie und häufig eine gute Alternative zur Vollnarkose. 70
Die Lachgassedierung, bei der das Lachgas über eine Maske eingeatmet wird, wird im Rahmen einer Implantat-Operation eher selten angewendet, da durch das Lachgas zwar eine beruhigende Wirkung hervorgerufen wird, die notwendige örtliche Betäubung jedoch nicht vermieden werden kann.
Vollnarkose
Eine Vollnarkose kann bei umfangreichen chirurgischen Eingriffen, z.B. aufwändigen Knochenaufbauverfahren oder Einbringen von mehreren Implantaten sehr hilfreich und für den Patienten entlastend sein. Allerdings erfordert die Vollnarkose einen zusätzlichen Behandler (Anästhesist), eine adäquate Ausstattung und die Möglichkeit, den Patienten nach der Behandlung ausreichend lange zu überwachen. 71
Die Implantation
Die Implantation selbst beginnt damit, dass der Kieferknochen über einen Schnitt freigelegt wird. Ist im Rahmen der Diagnostik ein DVT angefertigt worden, weiß der Operateur vorab, wie die anatonmischen Situation beschaffen ist und kann eher minimalinvasiv vorgehen bzw. nur die Bereiche des Knochens darstellen, die für die operative Maßnahme einsehbar sein müssen. Um größtmögliche Präzision zu gewährleisten, werden die folgenden Bohrungen häufig mit Hilfe einer an Hand der DVT-Planung individuell erstellten Bohrschablone durchgeführt (schablonennavigierte Implantation). Damit ist gewährleistet, dass die Implantate genau an der Stelle sitzen, wo sie aus anatomischen und kaufunktionellen Gründen im Optimalfall stehen müssen.
Die Aufbereitung des Bohrloches im Kieferknochen (Implantatbett) erfolgt schonend und stufenweise, wobei zur Schonung des Knochens mit einer sterilen Flüssigkeit gekühlt wird. Ist das Implantatbett ausreichend dimensioniert, wird das Implantat mit passender Gewindegröße eingeschraubt. Es wird ein fester und sicherer Halt angestrebt, damit es zu einem zügigen Anwachsen des Knochens an das Implantat kommt.
Bei bestimmten anatomischen Bedingungen (genügend feste Schleimhaut, ausreichend Knochen) kann man die Implantation auch nur über ein kleines gestanztes Loch in der Schleimhaut durchführen (flap-less Methode). 72 Gerade bei dieser scheinbar einfachen Technik ist eine umfassende chirurgisch-implantologische Erfahrung erforderlich, um gegebenenfalls jederzeit auch auf die „offene“ Implantation ausweichen zu können. 73
Vielerorts wird unmittelbar vor der Implantation zur Vorbeugung einer Wundinfektion ein Antibiotikum verabreicht; nach umfangreicheren Eingriffen muss dies manchmal auch noch einige Zeit danach eingenommen werden.
Der Wundverschluss
Der Wundverschluss hängt davon ab, ob das Implantat unter der Schleimhaut einheilt (gedeckte Einheilung) oder ob der Implantatpfosten bzw. das Abutment primär durch die Schleimhaut tritt (einzeitiges Vorgehen).
Welches der beiden Therapiekonzepte zur Anwendung kommt, hängt u.a. vom Implantatsystem, von der Knochenqualität, von der mechanischen Stabilität des Implantates nach dem Einbringen (Primärstabilität), vom Umfang der Operation oder auch von ästhetischen Fragestellungen ab.
Bei der gedeckten Einheilung wird die Schleimhaut über dem Implantat dicht verschlossen, so dass das Implantat von äußeren Einflüssen geschützt ist. Nach der Einheilung wird das Implantat dann freigelegt.
Beim einzeitigen Vorgehen wird die Schleimhaut so um den Implantatpfosten herum modelliert, dass ein dichter Abschluss gewährleistet ist. Der Vorteil dieses Vorgehens liegt darin, dass nach der Einheilphase keine weitere chirurgische Maßnahme mehr nötig ist. Ein Risiko könnte darin bestehen, dass Kräfte (Zunge, Prothese) auf das Implantat einwirken und seine Einheilung stören.
Über die Dauer einer Implantat-Operation lässt sich keine allgemeinverbindliche Aussage machen, da diese von der Anzahl der Implantate und den ggf. zusätzlich notwendigen Maßnahmen an Knochen und Schleimhaut abhängt.
Die Entfernung der Fäden erfolgt in der Regel im Zeitraum von 1 -2 Wochen.
Die Einheilphase
„Das Implantat muss einheilen“ ist die übliche Beschreibung der Einheilphase.
Dabei ist die Bohrung für das Implantatbett eigentlich eine Verletzung des Knochens, von der dieser sich erst erholen muss; der Fokus liegt also auf der Knochenheilung. Das Ziel ist eine feste knöcherne Verbindung, „Osseointegration“ genannt, damit das Implantat auch unter Belastung stabil im Kieferknochen verbleibt. 74
Die Dauer der Einheilphase richtet sich unter anderem nach der zum Zeitpunkt der Implantation vorliegenden Knochenqualität; in der Regel benötigt der Oberkiefer eine etwas längere Einheilzeit (3 – 6 Monate), als der Unterkiefer (2 – 4 Monate).
In ausgewählten Situationen kann das Implantat bzw. können die Implantate auch unmittelbar nach der Operation belastet werden. Das Behandlungskonzept dieser sog. Sofortversorgung wird bei All-on-4-Behandlungen oder auch bei einer Sofortimplantation (Entfernung des Zahn und Implantation in einer Sitzung) angewandt, macht aber an der Gesamtzahl der Implantationen nur einen einstelligen Prozentsatz aus. 75
Die Freilegung
Bei der gedeckten Einheilung muss das Implantat nach der Einheilphase wieder zugänglich gemacht werden. Dabei wird in örtlicher Betäubung über einem kleinen Schnitt (mit Skalpell, Laser oder Stanze) das Implantat oberflächlich freigelegt, die Verschlussschraube entfernt und durch ein Abutment ersetzt.
In diesem Zusammenhang kann dann z.B. auch eine Stabilitätsmessung, für die es verschiedene Geräte gibt, erfolgen. Es kann auch gleich der Abdruck für das zahntechnische Labor angefertigt werden, das den prothetischen Zahnersatz anfertigt.
Abschließend muss die Schleimhaut so gestaltet werden, dass sie eng dem Abutment anliegt. Um dies mit Aussicht auf langfristige Stabilität zu erreichen, sind gelegentlich weitere Schleimhauttechniken erforderlich, was der Behandler aber meist schon im Voraus erkennen und mit dem Patienten besprechen wird.
Anfertigung des Zahnersatzes
Sobald der Abdruck von der Implantatoberfläche gemacht worden ist, wird im zahntechnischen Labor die Suprakonstruktion hergestellt. In einer letzten Behandlungssitzung wird dann der neue Zahnersatz eingegliedert.
Im weiteren Verlauf sollten (manchmal jährliche) Kontrolluntersuchungen stattfinden, die jeweils situationsbedingt festgelegt werden.
Vor- und Nachteile von Zahnimplantaten
Obwohl die Implantologie mittlerweile zum Standardrepertoire der modernen Zahnheilkunde gehört 76 und die Zahnimplantate insgesamt eine außerordentlich gute Prognose haben 77, gilt es, auch für dieses Behandlungskonzept die Vor- und Nachteile abzuwägen.
Vorteile von Zahnimplantaten
- Der implantatgetragene Zahnersatz ist wegen seiner natürlichen Ästhetik häufig nicht mehr von den eigenen Zähnen zu unterscheiden, die Kau- und Sprechfunktion ist wie gewohnt und authentisch.
- Gesunde Zähne werden durch Implantate geschont; sie müssen weder beschliffen werden, noch erleiden sie durch Brücken oder Prothesen Fehlbelastungen, was zu Karies und Parodontose führen könnte.
- Implantate beugen dem Abbau des Kieferknochens vor, da sie, wie die Zähne auch, den Knochen auf natürliche Art und Weise stimulieren und belasten.
- Implantate können nahezu in jedem Alter eingesetzt werden und haben auch bei älteren Patienten noch eine hervorragende Langzeitprognose. 78
- Zahnimplantate können nicht nur einzelne Zähne ersetzen, sondern auch Prothesen einen festen und sicheren Halt verleihen, was immer zu einer Steigerung der Lebensqualität beiträgt.
- Die Versorgung mit Zahnimplantaten weist auch noch nach Jahrzehnten eine außerordentlich hohe Langlebigkeit auf.
Nachteile von Zahnimplantaten
Jeder chirurgische Eingriff, also auch eine Implantation, ist mit Risiken behaftet. Wundinfektionen, frühzeitiger Implantatverlust oder die Verletzung anatomischer Nachbarstrukturen (Zähne, Nerven, Kieferhöhle) sind Komplikationen, die beschrieben werden. Gerade hier ist ein erfahrener und versierter Operateur von großem Nutzen, der diese Gefahren kennt und damit umgehen kann.
Eine Implantatbehandlung und die notwendige Einheilphase benötigen ein gewisses Zeitpolster, insbesondere, wenn mehrere Eingriffe erforderlich sind (Knochenaufbau, Implantation, Freilegung).
Auf der technischen Seite können Lockerungen der Abutmentschraube oder andere Probleme mit der Suprastruktur zu Reparaturmaßnahmen zwingen.
In erster Linie mangelnde Mundhygiene kann zu einer Entzündung der Schleimhaut um das Implantat führen, die auf den Knochen übergreift und zum Knochenabbau (Periimplantitis) und schließlich auch zum Implantatverlust führen kann. Deswegen sind regelmäßige Kontrollen und eine professionelle Zahnreinigung eine gute Versicherung gegen diese Problematik.
Eine Implantatbehandlung ist kostenintensiv, wobei sich private Krankenversicherungen oder Zahnzusatzversicherungen im Rahmen des jeweiligen Versicherungsvertrages vollständig oder anteilig an den Kosten beteiligen.
Liegt kein entsprechender Versicherungsschutz vor, kann der Abschluss einer Zahnzusatzversicherung – bitte vor der ersten Implantatberatung! – sinnvoll sein.
Gute und weiterführende Informationen erhält man hierzu bei FINANZTIP 79 oder Stiftung Warentest 80.
Was kosten Zahnimplantate?
Wie hoch die individuellen Kosten für eine Implantat-Behandlung sind, hängt von der Ausgangssituation, von den verwendeten Implantatmaterialien, aber auch von den Wünschen und Vorstellungen des Patienten ab: z.B. können Vorbehandlungen oder die erforderliche Diagnostik – je nach Ausgangslage und Behandlungsziel – mehr oder weniger umfangreich sein. Zudem spielt der Behandlungsaufwand selbst eine entscheidende Rolle: Ist evtl. zunächst ein mehrstufiger Knochenaufbau nötig, um so den Zahnimplantaten eine sichere Basis zu bieten, hat der behandelnde Chirurg natürlich wesentlich mehr Arbeit.
Zusammenfassend: Eine für alle Situationen passende Angabe zu den Kosten für eine Implantat-Behandlung ist einfach nicht möglich.
Zu den Kosten für das Setzen der Implantate kommt dann noch der Aufwand für das Anfertigen der Suprastruktur hinzu. Auch hier sind präzise Angaben unmöglich, da in diese Summe die unterschiedlichsten Parameter einfließen (z.B. Bezug der Implantate zur Gesamtprothetik, verwendete Materialen, Anspruch an Kosmetik).
Heil- und Kostenplan schafft Transparenz
Allerdings erhält jeder Patient nach Fertigstellung des Behandlungsplans einen Heil- und Kostenplan über die zu erwartenden Aufwendungen. Dieser führt detailliert auf, mit welchen Beträgen für die Implantat-Behandlung zu rechnen ist. Der Heil- und Kostenplan für den Zahnersatz wird dann von dem Behandler erstellt, der die prothetische Versorgung durchführt.
FAQs zum Thema Zahnimplantat
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Quellen
Wichtiger Hinweis
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist nur über die Arztsuche möglich. Mehr Informationen finden Sie in unserem Haftungsausschluss für Gesundheitsthemen.
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